Interview: Brian Bagnall

Von Boris Kretzinger

Brian Bagnall ist eine Name, an den sich die Commodore-Community mit Sicherheit erinnern wird. Er ist der Autor des Buches "The spectacular rise and fall of Commodore", das so ziemlich nach dem Werk aussieht, auf das wir Commodorianer so lange gewartet haben: eine Geschichte von Commodore.

Brian, das ist nicht das erste Buch, daß du geschrieben hast. Dein letztes behandelte "Lego Mindstorms Programming". Nun, das ist schon ein Unterschied: Von einem Buch über Programmierung zu einer historischen Betrachtung einer Firma. Kannst du uns sagen wie (und warum) du die Idee zu deinem jetzigen Buch hattest?

Zum ersten Mal hatte ich die Idee 2002, so ziemlich zum Ende meines letzten Buches. Ich begann zu erkennen, daß es bei weitem mehr Commodore-Nostalgieseiten im Internet gab als Apple, was der weit verbreiteten Vorstellung zu widersprechen schien, daß Apple in der damaligen Zeit dominierend war. In den Siebzigern, als der Personalcomputermarkt durchstartete, übertrafen der TRS-80 (und sogar der Commodore PET) den Apple II bei weitem, was die Verkaufszahlen anging. Also hat nicht Apple den Personalcomputermarkt etabliert, wie uns Apple-Revisionisten glauben machen wollen. Das, was mich wirklich anregte, war die Tatsache, daß Commodore rund 20 Millionen C64 verkaufte, und Apple heimste den gesamten Ruhm ein, obwohl vom Apple II nur 5 Millionen Exeplare verkauft wurden. Für mich ergab das keinen Sinn. Warum wurde Commodore ignoriert? Aber nicht vor Ende 2003 begann ich, mich tiefer in die Materie einzuarbeiten und mit dem Schreiben begann. Und als ich einmal angefangen hatte, wusste ich, daß es eine interessante Geschichte war ...

Es war Dir wichtig, Leute zu interviewen, die damals involviert waren - darum lautet der Untertitel des Buches auch "The Inside Story". Was kann der Leser daher von diesem Buch erwarten und wie nah ist das Ergebnis am Buch von Michael Tomczyk (bezogen auf den Zeitraum den er dort behandelt)?

Diejenigen, die die Kapitel durchgelesen haben, sagen, daß die Interviews einen tiefergehenden Eindruck davon liefern, was in der Firma vor sich ging. Für mich personalisieren die Interviews die Geschichte tatsächlich. Man lernt diese Leute kennen und auch, was sie durchgemacht haben, um einige dieser wunderbaren Maschinen zu entwickeln. Da gab es ein Menge Kämpfe.

Mit Respekt vor Michael Tomczyk, aber dieses Buch wird einen größeren Überblick über Commodore geben als "The Home Computer Wars", das ich gelesen habe. Sein Buch endet Anfang 1984 und behandelte die Dinge mehr auf einer Managerebene. Meiner Meinung nach ist die Ingenieursgeschichte zumindest genauso wichtig wie die des Marketings und der Geschäftsmänner. Außerdem griff er kaum auf Interviews oder Zitate aus erster Hand zurück, wenn überhaupt. Es war eine Art von Commodore aus Michael Tomczyks Sicht.

Wann beginnt das Buch? Auf der Homepage ist zu sehen, daß verschiedene Kapitel (die dem Leser vielleicht zuerst einfallen würden, wie Commodore Schreibmaschinen und Taschenrechner) als "Bonus Material" gekennzeichnet sind und derzeit noch nicht enthalten sind?

Das Buch beginnt mit MOS Technology bevor Commodore diese übernahm. MOS Tec. entwickelte den 6502 Mikroprozessor, der die Personalcomputerindustrie revolutionierte und zum Atari 2600 VCS, Apple II, den Atari 400 und 800, und natürlich zu den Commodore Computern führte. Die Schreibmaschinen- und Taschenrechnerkapitel sind komplett, aber ich bekam keine richtigen Interviews für diese Kapitel. Vielleicht treten nachdem das Buch erschienen ist einige dieser Leute an mich heran und ich kann einige Interviews führen, bevor ich diese Kapitel zugänglich mache.

Die Leute, die du interviewt hast, sind hauptsächlich von Commodore US; würdest Du also sagen, daß dies mehr oder weniger die Geschichte dieses Teils von "Commodore World" ist?

Ja. Die Geschichte erzählt hauptsächlich aus Sicht der Unternehmenszentrale von Commodore Business Machines. Tatsächlich gab es da etwas, was Commodore International Limited genannt wurde, mit Sitz in den Bahamas (ein kleines gemietetes Büro mit ein paar Tischen), aber dies wurde aus steuerlichen Gründen dort eingerichtet. Jack Tramiel arbeitete bei Commodore Business Machines in den Vereinigten Staaten, und hier fand eigentlich die Geschäftspolitik statt, was das Ingenieurswesen sowei die Marketingentscheidungen anging. Europa, Australien und Japan werden im Laufe des Buches oft genannt, da sie immer essentiell zum Überleben der Firma beigetragen haben, aber die internationale Seite von Commodore ist vielleicht eine komplett andere Geschichte.

Ihr werdet über Bob Gleadow lesen, der GM von Commodore UK, Harald Speyer von Commodore Deutschland, Kit Spencer, der Marketingleiter von Commodore UK, der später zu der US Niederlassung wechselte, Nigel Shepherd von Commodore Australien, und Tony Tokai von Commodore Japan, dazu einige japanische Ingenieure.

Wie würdest du, da du jetzt einen Überblick über Commodore hast, die AMIGA-Computer einschätzen? Frühgeburt, ihrer Zeit voraus, Geldverschwendung oder etwas anderes?

Geldverschwendung. Nur ein Spaß! Sie waren definitiv ihrer Zeit voraus. I denke nicht, daß es ein perfekter Computer war, aber er war revolutionär. Er war der erste echte Multimedia-Personalcomputer und ich denke nicht, daß das jemand heute noch in Frage stellen wird. Unglücklicher Weise wusste Commodore nicht wie sie das ihren potentiellen Käufern kommunizieren sollten und der Rechner überlebte nicht, so wie es der (damals) unterlegene Macintosh tat.

Tramiel lehnte es ab, ein Interview über Commodore zu führen - auf der Webpage des Buches können wir lesen, daß "Jack eine strikte Nicht-Commodore Interviewpolitik" verfolgt. Konntest du herausfinden wie das kommt?

Chuck Peddle, einer der frühen Commodore-Ingenieure, sagt daß er sich an einem Artikel der Baron stieß der sehr hart ausfiel. Ich denke er half zuerst bei dem Artikel mit, und dann haben sie ihn in Gegenteil verkehrt und ihn auseinandergenommen. Doch er hat von Zeit zu Zeit Interviews über Commodore in deutschen Magazinen gegeben, also vielleicht traut er nur den nordamerikanischen Medien nicht. Er verließ Commodore 1984 in keinem guten Einvernehmen und daher ist dies womöglich keine gute Erinnerung für ihn oder seinen Sohn Sam Tramiel. Leonard Tramiel erscheint ein wenig mehr objektiv und er klang frustriert darüber, daß sein Vater nicht hinausging, um die Sache richtig zu stellen.

Co-Editoren des Buchs sind allseits bekannte Commodore-Experten wie Jim Butterfield oder Robert Bernardo. Aber hatten die interviewten Personen wie Leonard Tramiel kein Interesse daran, das Buch zu lesen bevor er erscheint?

Das ist eine ausgezeichnete Frage. Ich habe lange und intensiv darüber nachgedacht ob ich die fertigen Kapitel den Commodore-Leuten zeigen solle, und habe mich dagegen entschieden. Es gibt persönliche Informationen über sie in diesem Buch, und nicht alle sind schmeichelhaft. Ich denke es würde der Geschichte die Objektivität nehmen, wenn diese Leute in den Editionsprozess eingebunden wären. Wenn ich es zum Beispiel Leonard gezeigt hätte, hätte er alles in seiner Macht stehende getan, um seinen Vater zu beschützen, auch wenn Leonard wie ein ehrlicher Mensch erscheint. Ich hätte unter dem Druck gestanden, die besten Teile zu entfernen und dabei wäre die Geschichte schließlich eher getrübt als verbessert worden.

Stattdessen entschied ich mich, Leute heranzuziehen, die eine Menge über die Commodore Geschichte wussten. Leute wie Martin Goldberg von Classic gaming, Gareth Knight von Amiga History Guide, Ian von Commodore.ca, und Jim Butterfield (der dabei war als eine Menge Dinge passiert sind). All diese Leute teilen eine Liebe für die Geschichte von Commodore wie man auf ihren Webseiten sieht, und sie verfügen über das Wissen um sicherzustellen, daß die Geschichte korrekt erzählt wird.

Zum Schluß: gibt es eine Chance, daß das Buch beispielsweise in deutscher Sprache erscheinen wird?

Ich denke es besteht eine sehr gute Chance. Bisher bin ich von mindestens drei deutschen Verlagen angeschrieben worden, und das Buch ist noch nicht einmal erschienen, also werde ich versuchen den besten herauszusuchen (was schwierig sein könnte wenn man bedenkt, daß ich nichts über die deutsche Verlagslandschaft weiß) und einen Deal für die Übersetzungsrechte zu machen.

Danke für das Interview!

War mir ein Vergnügen. Gute Fragen!